Seit dem 21.1.2021 müssen Unternehmen ihren Mitarbeitenden anbieten, von zu Hause aus zu arbeiten. Oft ist aber nicht klar, was das konkret für den Mitarbeitenden heißt und wie Arbeitgebende hier rechtlich reagieren müssen. Homeoffice und mobiles Arbeiten werden gern synonym benutzt, sind aber nicht das gleiche. Beide Begriffe stellen jedoch aktuell viele Arbeitnehmenden und Unternehmer/-innen gleichermaßen vor Herausforderungen. Unsere Fachkräfteberater/-innen klären über die Situation und die Vor- und Nachteile auf:
„Die Unternehmenspflicht für das Arbeiten zu Hause besteht nur in einer Interessensabfrage, nicht aber in der tatsächlichen Umsetzung“, erläutert Fiete Mikschl, Fachkräfteberater in der KielRegion. „Die Entscheidung trifft der Arbeitnehmende. Wer die Option ausschlägt, seine berufliche Tätigkeit am heimischen Küchentisch zu verrichten, bleibt beim Präsenzmodell vor Ort im Betrieb. Dazu braucht es aber ein klares Nein zum Homeoffice.“
Will die Arbeitgeberseite kein Arbeiten zu Hause anbieten, müsste sie stichhaltige betriebliche Argumente liefern. Dazu gehören z. B. die Abwicklung von Warenverkehr oder das Hantieren mit hochvertraulichen Papieren, die im Büro verbleiben müssen. Viel Spielraum lassen die Aufsichtsbehörden hier allerdings nicht.
Was besonders für Arbeitgeber/-innen spannend ist: Die neue Verordnung verpflichtet nicht zum aufwändigen Homeoffice, bei dem hohe Einrichtungskosten für die Unternehmen entstehen würden. Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung fordert lediglich, den Arbeitnehmenden anzubieten, berufliche Tätigkeiten „in deren Wohnung auszuführen“. Wie Unternehmen und Mitarbeitende das genau ausgestalten, bleibt ihnen überlassen. Mobiles Arbeiten ist weiterhin also genauso erlaubt wie Homeoffice. Mikschl erklärt: „Die beiden Arbeitsformen kann man in etwa vergleichen wie einen Rucksacktrip mit einer All-Inclusive-Reise. Beim mobilen Arbeiten stehen dem Arbeitnehmenden nur die allernotwendigsten Mittel zur Verfügung, also ein Notebook, eine Maus, vielleicht ein Headset und ein mobiler Drucker. Gearbeitet wird, wo man gerade sitzt oder steht: auf dem Sofa, im Auto, am Esstisch. Das All-Inclusive-Homeoffice dagegen mobilisiert das Großaufgebot des modernen Arbeitsschutzes.“
Ein Homeoffice laut Arbeitsschutzgesetz untersteht den gleichen Anforderungen an Ergonomie, Unfallschutz und Arbeitszeitbegrenzung wie der Schreibtisch im Büro. Arbeitgebende verantworten dabei die gesamte Einrichtung. Dazu gehören neben den mobilen Geräten die Kosten für Bildschirm, Tastatur, Bürostuhl, Schreibtisch, Lampe und Telekommunikation sowie die Umsetzung der Anforderungen an den Datenschutz. Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt hier im Bereich Telekommunikationsanbindung und VPN-Tunnel mit Fördermitteln aus dem Programm go digital.
Arbeiten Angestellte während der Pandemie weiterhin im Unternehmen, so ist hier ebenfalls mit Extrakosten für die Betriebe zu rechnen. Mindestens 10m2 Raum muss jeder Mitarbeitende nun zur Verfügung haben. Wer noch keine Trennwände an Schreibtischen aufgestellt hat, muss das jetzt nachholen. Hinzu kommt die Verpflichtung, in Unternehmen mit über 10 Mitarbeitenden Kohorten zu bilden. Ein Teil der Belegschaft tritt damit den Weg in den Betrieb ohnehin nicht an. Außerdem zahlt das Unternehmen täglich die medizinischen Masken für seine Mitarbeitenden.
Der Wohnungsarbeitsplatz hat allerdings für die Arbeitnehmenden ebenfalls nicht nur Vorteile. Neben den Quadratmetern, die das berufliche Arbeiten der eigenen Wohnung abnötigt, sind es vor allem soziale Faktoren, die das Homeoffice unattraktiv machen. Sven Jessen, Unternehmens- und Kommunikationsberater in Kiel, stellt die besondere Einsamkeit im häuslichen Office heraus: „Arbeitnehmende vermissen häufig den Flurfunk und das kollegiale Miteinander. Vielen fehlt der Flow im gemeinsamen Tun. Ohne Austausch sinkt die Arbeitsmotivation.“ Hinzu kommt, dass häufig die Grenzen von Privatleben und Beruf ineinander verlaufen. Anfang und Ende des Arbeitstages verlieren sich so gern mal in Telefonaten beim Kochen oder in der E-Mail nach dem Abendessen.
Wie lässt sich das Arbeiten also auf Distanz befriedigend gestalten? Sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende wünschen sich oft, die alltägliche Beziehung besser aufrecht zu erhalten. Das klappt, wenn engmaschig, aber kurz online kommuniziert wird, am besten zum Einstieg in den Arbeitstag. Außerdem hilft es sehr, wenn die Erreichbarkeit klar geregelt ist und die Mitarbeitende gut mit digitalen Endgeräten versorgt sind. Nicht zuletzt: Wenn alle Kompromisse eingehen, um den Workflow und die Produktivität zu erhalten, klappt es auch mit der Zusammenarbeit auf Entfernung.
Als für die meisten Unternehmen kostengünstig umsetzbar erweist sich das mobile Arbeiten kombiniert mit Präsenztagen im Büro. Etwaige negative Folgen aufgrund von längerem Homeoffice lassen sich so für Arbeitnehmende und Arbeitgebende vermeiden. Fiete Mikschl resümiert: „Unternehmen gewinnen durch die Zusammenarbeit auf Distanz auch ganz neue Erfahrungen mit modernen Arbeitsformen und Technologien. Die Chance der Krise ist, diese zu nutzen.“