Praktikum im Ausnahmezustand

„Sehr geehrte Frau Mering, herzlichen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr gezeigtes Interesse an unserem
Unternehmen. Leider haben wir heute keine positive Rückmeldung für Sie, da es uns aufgrund der aktuellen
Lage nicht möglich ist, Ihnen eine Praktikantenstelle anzubieten.“


Wie oft habe ich diese oder ähnliche Rückmeldungen auf meine Bewerbungen Anfang des Jahres erhalten?
Vermutlich mehr, als ich zählen kann. Aber wer konnte schon ahnen, wie es weiter gehen wird?
Jedes Jahr werden in Deutschland tausende von Praktika in allen Branchen absolviert. Schüler/-innen und
Student/-innen gleichermaßen schicken etliche Bewerbungen an Unternehmen, viele der Praktika sollen
im Rahmen der schulischen Ausbildung stattfinden. Aber in Zeiten von Corona ist es gar nicht so einfach,
ein Unternehmen zu finden, welches unter den aktuellen Umständen überhaupt Praktikant/-innen einstellen
kann. Homeoffice und das Arbeiten in Teams erschwert die Betreuung der Teammitglieder, die meist
nur ein paar Wochen, manchmal ein paar Monate bleiben können.
Trotzdem gehören die praktischen Einblicke ins Arbeitsleben auch in Zeiten einer Pandemie noch immer
zur Tagesordnung der Bildungseinrichtungen. Selbst der Fakt, dass es beinahe unmöglich ist, passende
Unternehmen zu finden, ändert nichts daran.


Ende Januar ging es für mich los. Acht Wochen Praktikum in den Sommersemester-Ferien hatte ich mir
vorgenommen. Einfach mal ins Berufsleben reinschnuppern und Erfahrungen sammeln. Mein Studium
sieht außerdem ein Pflichtpraktikum vor. Etliche Bewerbungen wurden verfasst und an viele Unternehmen
aus Kiel, Hamburg und meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, geschickt. Je größer das Unternehmen, desto
länger brauchen Antworten. Aber Sorgen, nichts Passendes zu finden, machte ich mir keine. Irgendwann
würde schon das richtige Unternehmen zusagen, mit so viel Vorlauf ist das doch kein Problem. Irgendwann
kamen die ersten Berichte von Corona-Erkrankten in Deutschland. Keine Panik, das ist nur halb so
schlimm und betrifft mich eh nicht. Außerdem hab ich ein neues Bewerbungsgespräch! Jedoch stiegen die
Zahlen weiter an und dann die ernüchternde Nachricht: Das Gespräch muss erst mal verschoben werden,
alle Mitarbeiter/-innen gehen auf unbestimmte Zeit ins Homeoffice und wie es in einigen Monaten aussieht,
kann natürlich noch keiner wissen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine Chancen auf einen Praktikumsplatz
bereits so gut wie aufgegeben. Wie soll das funktionieren? Ein Praktikum aus dem Homeoffice?
Immer wieder wurde ich von verschiedensten Unternehmen vertröstet, bald wisse man mehr. Aber die
Lage mit Corona entspannte sich nicht. Ich blieb trotzdem hartnäckig und dann die erlösende Nachricht:
Ich kann mein Bewerbungsgespräch nachholen! Ich bekam den Platz, endlich konnte ich mich entspannen.
Und wie praktisch, dass das Wintersemester später startet: da kann ich glatt noch einen Monat hinten
dran hängen!


So bin ich bei der KielRegion GmbH gelandet. Rückblickend hatte ich extrem viel Glück. Denn während ich
in einem Unternehmen gelandet bin, welches mich unterstützt und weiterbringt, sind viele meiner Kommiliton/-
innen aus höheren Semestern verzweifelt. Es regnete Absagen, weder Studierende noch Dozierende
wussten, wie man mit einer solchen Situation umgehen soll.
Der Fachbereich sieht ein Pflichtpraktikum vor. Kann das einfach abgesagt werden, wenn es den Studierenden
nicht möglich ist, eine geeignete Stelle zu finden? Besonders, wenn es um äußere Extremzustände,
wie eine Pandemie, geht?


Die Studierenden an meiner Hochschule haben Glück: Neben der Option einer Hospitanz in einem Unternehmen,
darf alternativ auch eine wissenschaftliche Hausarbeit zu einer praxisorientieren Fragestellung
erstellt werden. Die muss zwar auch in Zusammenarbeit mit einer Firma geschrieben werden, aber eine
solche Hausarbeit ist doch leichter aus dem Homeoffice zu erledigen und bedarf nicht einer so intensiven
Betreuung wie ein Praktikum.


Anders sieht es aber freilich für Schüler/-innen aus. Praktika, die beispielsweise in der Mittel- oder Oberstufe
absolviert werden, sind häufig nur ein bis zwei Wochen lang. Gerade bei einem so kurzen Zeitraum
gestaltet sich die Suche noch komplizierter.


Übrig bleibt nur noch die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Praktikums aus dem Homeoffice. Wie hilfreich
kann dies sein, egal, ob aus Sicht der Unternehmen oder aus Sicht der Praktikant/-innen? Für mich
konnte ich die Frage so beantworten: Ich weiß, dass ich für mich sehr viel gelernt habe. Ich wurde (übertragen
gesehen) an die Hand genommen und so konnten mir drei Monate geboten werden, die mich beruflich
und persönlich sehr weit gebracht haben. Ob dies jedoch überall möglich ist, das weiß ich nicht.